Valete Pino - Zwischen Genie und Wahnsinn


Eigentlich war es ein ganz normaler Freitagmittag auf der Farm. Die Arbeitswoche lag hinter mir und ich freute mich nur noch darauf das Wochenende entspannt zPinoJessi1u beginnen. Wie kann das besser beginnen als die frische Stallluft einzuatmen und mit einem Wiehern begrüßt zu werden? Genau, nämlich so - im Stall angekommen türmten sich reihenweise Kinder vor einer großen Box. ''Oh ist der groooß !'', ''Ist das der Neue?'', ''Schau mal wie lieb!''.
Nun packte mich auch meine Neugierde.  Hinter dem großen Andrang konnte man ein Pferd erkennen. Ein weißes Pferd mit treuen, schwarzen Augen schaute mich an. Er war genau so neugierig wie ich und scheute nicht sich ausgiebig streicheln zu lassen. Beim genaueren betrachten konnte man nicht schwer übersehen das er eine Vorliebe, wie ich, zum Essen hat! Und irgendwie, sah er besonders und anders aus. Die Kinder im Stall quasselten nur etwas von '' in Portugal geboren'', da war mir fast klar, er ist ein Lusitano!
''Bem-vindo Valete Pino!'' vielleicht redet er ja nur portugiesich? Aber ich denke ein ''Willkommen'' auf Deutsch wird er wohl auch verstehen...  Wie dem auch sei. Einige Tage vergingen. Er wurde von unserer Reitlehrerin Babsi täglich longiert, und ich wagte immer mal wieder einen Blick in die Reithalle um ihn zu begutachten. Aufrechte Haltung, kompakter Körperbau und typgerechte Grundgangarten. Er begeisterte mich also von Tag zu Tag mehr! Sogar so sehr das ich es kaum abwarten konnte ihn reiten zu dürfen. Gesagt getan - mehr Arbeitswille kann in einem Pferd nicht stecken, er ist sehr schwierig  und verdreht aber willig. Aboslut nichts für Jedermann aber ein Pferd mit sehr viel Charakter und im Umgang ein echter Goldschatz!
Die nächste Reitersitzung stand an und ich wollte mich für sein Bleiben auf der Jugendfarm unbedingt einsetzen. Andrea, die langjährige Reiterin von Max, meinem ehemaligen Pflegepony, ''verhalf'' uns glücklicher- und zufälligerweise zu einem Boxenplatz auf der Farm, da sie zu diesem Zeitpunkt vor hatte Max aufzukaufen.
Ich erklärte Jürgen und Babsi wie sehr ich mir gerne dieses Pferd zu ''meiner Aufgabe'' machen möchte. Verliebte mich ''Klitscheehaft'' auf den ersten Blick in den großen, weißen Schimmel. Mit den Erfahrungen die mir sämtliche Pferde und Reitstunden auf der Jugendfarm, insbesondere Akan mit dem ich bis zur Dressurklasse L siegreich war, gaben, war ich mich sicher - Ich kann und möchte mit diesem Pferd zusammen arbeiten. Ihm und mir die notwendige Zeit zu geben und ihn ''Jugendfarmgerecht'' zu formen. Sodass auch Pino irgendwann sein Können an ein anderes Jufakind weitergeben kann. 
So das Prinzip. Die Umsetzung zeigte sich in den ersten Wochen allerdings schwieriger als wir dachten. Der Alltag auf der Jugendfarm können so manchen Nerv eines Pferdes strapazieren. Flutlichtreiten, Kinder die an einer Reitbahn vorbei rennen und Fangen spielen, richtig gefährliche Tiere die so gar nicht aussehen wie ein Pferd und komische Geräusche von sich geben wie ''iiiih-aaaaah'' und ''määäääääh''.
Ein Funken Verzweiflung meinerseits machte sich breit. Vielleicht redet er ja doch nur portugiesich...? Wir wendeten uns also an seinen ehemaligen Besitzer - Dr. Thomas Kämmerer. An dieser Stelle nochmal ein riesen DANKESCHÖN an den HNO-Arzt aus Ludwigshafen, der uns Pino bescherte! Er selbst zog ihn von klein aus auf, zeigte uns ''Tipps und Tricks'' und erklärte nochmal grundlegende Dinge mit denen wir auch zukünftig arbeiten konnten.
PinoJessi2Mit Zeit und viel Geduld sah es von Woche zu Woche besser und mehr nach Reiten aus.
Anfang Februar erfuhren wir quasi durch Zufall das ein Herr Nuno Avelar (professioneller Reiter und Trainer in der Working Equitation und in der klassisch-iberischen Dressur) seit Ende letzten Jahres nach Deutschland zog. Noch besser - in Frankenthal-Mörsch! Direkt bekamen wir einen Termin zum Lehrgang auf dem Reithof. Vielleicht kann er uns helfen unseren Pino noch besser zu verstehen. Sehr gewöhnungsbedürftig, da Herr Avelar nur sehr gebrochen Deutsch reden kann und die Reitstunde hauptsächlich auf Englisch verlief. Wir waren jedenfalls sehr dankbar für die lehrreiche Reitstunde bei ihm und erfuhren ''how it simply works''.
Wir sind also sehr zuversichtlich, und ich bin glücklich, dass ich einen dicken, mit weißem Fell übersehenen, portugiesichen Freund dazugewonnen und in mein Herz geschlossen habe! :-)
                                    Eure Jessi                                                                                
April 2016